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15.08.2020 Kategorie: Wf St. Thomas

Glaube ist e i n e von vielen Beziehungen

Beziehung zu Gott in Linien

ON oder OFF. In Zeiten verstärkter Digitalisierung lautet die Alternative oft ‚0‘ oder ‚1‘, entweder - oder, ein Drittes ist ausgeschlossen. Viele verstehen auch das Gegenüber von Glaube und Unglaube als reinen Gegen-Satz, nicht als Nachbarschaft oder gar beide Worte als Geschwister. Der Kontext der Jahreslosung, die KFS-Thema gewesen wäre, erzählt von einem Vater, der sich durchaus Jesu Hilfe für seinen Sohn gläubig anvertraut und d o c h sagt: /„Ich glaube, hilf meinem Unglauben.“/Dieser begleitet offenbar das oder den Glauben.
Da ist etwas schon, zugleich ist es auch umstritten, angefochten, gefährdet, herausgefordert. Die Bitte „Hilf meinem Unglauben“ setzt auf Entwicklungsmöglichkeiten. Dann bleiben wir nicht stehen, bei der Meinung, dass da nur etwas fehlt und nicht stimmt! Ich brauche Assistenz zur Weiterentwicklung, damit Glauben werden und wachsen kann.
Wachsen und Werden ist ein Prozess. Und der sollte nicht die widrigen Seiten ausblenden und verbannen, sondern produktiv machen. Was lehrt nich mein Unglauben über meine Weltsicht und mein Gottesbild? Wonach fragt, sehnt sich Unglaube? Wovon wird Glaube irritiert? Glauben können wir nicht im luftleeren Raum, sondern nur inmitten unseres Lebens, unserer Welt.
Für diese Bemühung steht für mich als Beispiel eine Übung, die ich immer wieder im KFS ertragreich und hilfreich fand: Sie heißt „Meine Beziehung zu Gott.“ Dabei werden alle aufgefordert, auf einem großen Blatt nur zwei Linien einzuzeichnen. Eine steht für einen selbst, die andere für Gott. Die einzige Vorgabe für beide Linien ist, dass sie in ihren Anfang wieder zurückkehren ohne Überschneidungen. Das bedeutet, es entsteht irgendeine geschlossene Figur für mich, eine zweite für Gott. Die kann Ecken haben, Spitzen, Beulen, groß oder klein sein, langgestreckt oder birnenförmig, aussehen wie ein Herz, ein Kreis, ein Quadrat oder völlig ohne jede besondere bekannte Form. *Die Beziehung zwischen mir und Gott, *wie ich sie zu dem Zeitpunkt sehe, kann ich ausdrücken durch die Größenverhältnisse, durch die Entfernung auf dem Blatt oder die Nähe, auch sicherdurch unterschiedliche Formen und die Verwendung von zwei verschiedenen Farben. Übrigens ist selbst: eine Einstellung wie “/Ich weiß gar nicht, was Gott für mich sein soll und wir miteinander zu tun haben sollten“ /a u c h eine Beziehung. Dann würde vermutlich eher eine Entfernung zwischen beiden Figuren das ausdrücken, vielleicht eine ganz blasse Linienfarbe für Gott, vielleicht auch die Form, die eher „rätselhaft“ ist und sich vielleicht wie ein Fragezeichen biegt (ohne Punkt), während vielleicht jemand zugleich findet: „Ich? Da habe ich eine klare Vorstellung“ und eventuell eine Körperfigur malt. Es könnte natürlich dieser fragezeichenartige fremde rätselhafte Gott auch eine Linie im „Kopf“ des Ich-Männchens sein, also zwar nah in ihm, dennoch fremd. Aber es kann auch ganz ohne erkennbare gegenständliche Form sein. Wir nehmen ernst, dass etwas wichtiges ausgedrückt wird in solcher sehr elementaren, reduzierten Form. Und da kann auch UnGlaube natürlich ein Bild finden.
Wenn die Bilder (zwei solche Linien ohne Beschriftung) gemalt sind, werden alle in der Kleingruppe aufgefordert, ohne Bewertung (blöd gemalt, genial oder so etwas), zu sagen, was sie sehen und woran sie vielleicht denken: „Da sind zwei gleich große Kreise. Es sieht aus wie ein Gleichgewicht.“ Oder: „Da ist Rot und Orange, in dem Rot ja mit drinsteckt. Vielleicht ist das Rote GOTT und das Orangene die Person, also etwas von Gott ist in ihr.“ Es geht in der Runde nicht darum, ob richtig „geraten“ wurde, sondern Andere können in meiner Zeichnung etwas sehen, was ich selbst nicht wußte. Das kann mir zu denken geben.
Dann erklärt der „Maler, die Malerin“ ihr Bild kurz, also was sie zu ihrer Beziehung zu Gott ausdrücken wollte, und wird aufgefordert, diesem Kunstwerk eine Titel mit nicht mehr als fünf Worten zu geben und darauf zu schreiben. Nehmen wir einmal an: „weit weg wie ein Ufo“ oder „Farbverwandtschaft“.
In einem weiteren Schritt soll diese Beziehung noch Worte bekommen. Du schreibst zu diesem Beziehungsbild auf, was das „Ich“ aus seiner Sicht zur Beziehung und zu Gott sagen könnte und welche Bitte es ausspricht. Das ist wie der Anfang eines Gebets oft. Aus einem KFS-Jahr habe ich hier Beispiele aufgeführt:

„/*Gott, aus meiner Perspektive bist du*/*…“*

„/*Eine Bitte habe ich:*/*…“*

… ein Teil von mir.

Bleibe bei mir, um mich zu vervollständigen.
… ein zerbrochene Glasscheibe, die mit mir ein Ganzes ergibt.

Komm zu mir, wenn ich dich brauche. Lass mich entscheiden, wann ich andocke.
… ein jetzt noch unbekanntes Objekt, dem ich immer näher kommen will.

Lass mir Zeit, dir nah zu kommen und dich kennen zu lernen.
… ein unförmiges Etwas, was noch eine Form sucht.

Verändere dich, damit ich dich immer neu entdecken kann.
… eine schützende Höhle.

Schütze mich, aber lass mich frei, wenn ich will.
… etwas, worin ich ein Teil bin und mich auch lösen kann, wenn ich dich nicht brauche.

Bleib weiterhin in meiner Nähe.
… eine Stütze für mich.

Lass mich nicht umkippen.
… nicht nahe bei mir, aber auch nicht fern, dennoch schneidest du meinen Weg nicht.

Schneide meinen Weg nicht, bring mich nicht von meinem Weg ab!
… meine Grenze.

Bleib da, wo du bist.
… gibt es eine klare Trennwand zwischen uns, weil wir zwei verschiedene Formen haben.

Passe dich ein wenig mehr an mich an. Wenn ich deine Hilfe brauche, müssen wir uns besser vertragen.
… fern und klein.

Komm mir näher.
…aushaltbar.

Bleib standhaft und halte mich aus.
… wie eine Schutzhülle um mich, auch wenn ich kompliziert bin.

Bitte beschütze mich, auch wenn wir nicht einer Meinung sind.
Es wäre auch möglich, einmal aus „Gottes Position“ heraus auszudrücken, was Gott, also der/ die/ das, was du gegenwärtig so nennen würdest, in dieser Beziehung vielleicht sagen könnte. „Ich möchte dir gern sagen…“
Zwei Linien nur auf Papier, aber es entsteht eine wertvolle Welt intensiver, zum Nachdenken anregender Sätze, in denen Glauben und Unglauben zugleich vorkommen können und ausgedrückt werden können.
KFS 2020 digital Dietmar Schmidt-Pultke, St. Thomas Wolfenbüttel

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