Braunschweig. Mit einem flammenden Appell hat Bundestagspräsident Norbert Lammert die Einheit von evangelischer und katholischer Kirche gefordert. Wer die Unterschiede weiter als kirchentrennend betrachte, verwechsle Zweit- und Drittrangiges mit Erstrangigem, sagte er beim Jahresempfang der Landeskirche Braunschweig am 22. Januar im Braunschweiger Dom. Das sei sehr ärgerlich. Genauso wenig wie Christus zerteilt sei, dürfe die Kirche getrennt sein, betonte der Bundestagspräsident in einer Rede, der seine persönliche innere Beteiligung anzuspüren war. Lammert ist katholischer Christ.
Die organisatorische Trennung sei den Kirchen oft wichtiger als die Gemeinschaft im Glauben, kritisierte er. Dabei seien doch alle Christen durch die Taufe eins. Vor diesem Hintergrund plädierte Lammert auch für ein gemeinsames Abendmahl von Evangelischen und Katholiken. Die Einladung dazu sei wichtiger als die Frage, durch welches Amt es verwaltet werde. Damit grenzte er sich gegen die offizielle theologische Linie seiner eigenen Kirche ab, die eine Gültigkeit des Abendmahls vom römisch-katholischen Ritus abhängig macht. Der Vorwurf, diese Haltung sei typisch protestantisch, sei ihm „gleichgültig", sagte Lammert. Es handele sich hier um „theologische Spitzfindigkeiten".
Die Einheit der Kirche dürfe nicht den Theologen überlassen werden. Ihnen gehe es häufig um die eigene Unersetzlichkeit und die Bedeutung des eigenen Amtes. Die Kirche sei als Institution eine „zutiefst menschliche Einrichtung" und für viele ein „Haupthindernis des Glaubens". Lammert zitierte in dieser Hinsicht Papst Benedikt XVI., der 1968 in seinem Buch „Einführung ins Christentum" der Kirche vorgeworfen hatte, mit menschlichem Machtstreben das amtliche Christentum zu verwalten, anstatt dem wahren Geist des Christentums Raum zu geben.
Der Bundestagspräsident bezweifelte, dass immer noch theologische Gründe einer kirchlichen Einheit von Evangelischen und Katholiken entgegenstehen. Die Kirchentrennung in Folge der Reformation habe vor allem politische Gründe gehabt, die heute keine Rolle mehr spielten. Er warnte davor, sich in der Trennung weiter häuslich einzurichten: „Die Spaltung widerspricht dem Willen Christi."
Lammert dankte Landesbischof Friedrich Weber für dessen „pastorales Wirken und bewundernswürdigen Einsatz für die Ökumene". Er habe die Einladung zur Rede im Dom auch deshalb besonders gerne angenommen, weil es der letzte Jahresempfang war, zu dem Landesbischof Weber eingeladen hatte.
In seiner Andacht erinnerte dieser an die Jahreslosung für 2014 „Gott nahe zu sein ist mein Glück" (Psalm 73,28). Es sei ein Glück, wenn sich Menschen der Liebe Gottes öffnen. Dann seien Versöhnung und Vergebung möglich, weit über das persönliche Leben hinaus, betonte Weber. Der Landesbischof dankte auch den Gremien und Mitarbeitenden der Landeskirche für ihre Bereitschaft zu Reformen und zur Neuausrichtung der kirchlichen Arbeit in den vergangenen Jahren. Für ein besonders eindrückliches und emotionales musikalisches Erlebnis sorgte die Jugendkantorei der Braunschweiger Domsingschule. "Wir sind stolz auf euch", sagte der Landesbischof zu den jungen Sängerinnen und Sängern gewandt.