Braunschweig. Das Gedenken zum 500. Jahrestag der Reformation im Jahr 2017 soll auch im Braunschweiger Land ein besonderes öffentliches Ereignis werden. Eine Veranstaltung im Kleinen Haus des Staatstheaters Braunschweig brachte am 2. Februar zahlreiche Akteure aus Kultur und Kirche, Politik und Gesellschaft zusammen, um eine möglichst abgestimmte Vorgehensweise auf dem Weg ins Jahr 2017 zu gewährleisten.
Der Legende nach hatte Martin Luther am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel der römisch-katholischen Kirche an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg genagelt. Seit 2008 rückt die evangelische Kirche im Rahmen einer Reformationsdekade jedes Jahr ein neues Thema in den Blickpunkt. 2014 heißt das Motto „Reformation und Politik".
Als Gastredner hatte ein Initiativkreis um Generalintendant Joachim Klement, Kulturdezernentin Dr. Anja Hesse und Oberlandeskirchenrat Thomas Hofer den emeritierten Geschichtsprofessor Heinz Schilling (71) aus Berlin gewonnen. Er zeichnete mit wissenschaftlicher Akribie einen Martin Luther, der uns heute fremd ist.
In vormoderner Weise habe Luther die Universalität der Kirche im Sinn gehabt. Geprägt von einem „fundamentalistisch-absoluten Religionsverständnis" trete in seiner Person immer wieder etwas „Raufboldhaftes" und „Abstoßendes" hervor. Wie zum Beispiel in seinen antijüdischen Schriften. Das moderne Verständnis von Toleranz sei Luther fremd gewesen. Trotzdem, so Schilling, sei ein „Luther-Bashing" verfehlt, denn der Reformator müsse als Mann in seiner Zeit verstanden werden.
Zudem dürften seine dunklen Seiten die hellen Seiten nicht überdecken. Luther habe die Religion aus ihrer „separierten Sakralität" geholt und zur Leitkultur des privaten und öffentlichen Lebens gemacht. Durch ihn sei die Religion „welthaftig" geworden und habe so die Modernisierung der Gesellschaft gefördert. Die Welt sei ein Ort des Heilsgeschehens geworden, an dem sich der Mensch durch sein ganzes Leben, auch in Ehe und Beruf, als Christ zu bewähren habe.
Die Reformation habe eine „kulturelle Differenzierung" hervorgebracht, die nach dem Verständnis von Schilling als „Kirchenspaltung" nur unzureichend gekennzeichnet ist. Luther, so der Historiker, sei der Garant einer neuzeitlichen Religiosität, die auch die römisch-katholische Kirche würdigen müsse, wenn sie modern sein wolle.
Der Redner kritisierte auch die Vorstellung, das Luthertum habe eine unpolitische Obrigkeitshörigkeit als spezifische Politikkultur gefördert. Vielmehr belege gerade die Geschichte Braunschweigs, dass man von einem „civic Lutheranism" sprechen könne, einer anti-obrigkeitlichen und zivilgesellschaftlichen Ausrichtung des Luthertums. Schließlich seien es häufig die Städte gewesen, die der Reformation gegen die Herzöge und Fürsten zum Durchbruch verholfen hätten.
So sei eine lutherisch geprägte Bürgerreligion entstanden, die der Freiheit und Selbstbestimmung den Weg geebnet habe. Das stadtbürgerliche Luthertum, so Schilling, sei das Vorbild für die Zivilgesellschaft heutiger Zeit.
Vor diesem Hintergrund riefen Oberlandeskirchenrat Thomas Hofer und auch Landesbischof Friedrich Weber zu einer breiten Beteiligung der Akteure in der Region auf, das 500-jährige Reformationsgedenken mitzugestalten.
In einer Podiumsdiskussion, geleitet vom Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, Armin Maus, deuteten die Lehrerin Katharina Schulz und der Direktor des Braunschweiger Stadtarchivs, Dr. Henning Steinführer, an, wie das Reformationsgedenken im Braunschweiger Land verankert werden könnte.